Freitag, 18. März 2011

Wortwahl

Es gibt Menschen in diesem Land, die haben sich auf die Fahnen geschrieben die deutsche Sprache zu retten. Zu Retten vor Menschen die "Sorry" als Form der Entschuldigung nennen - die es ja auch ist, nur eben nicht die deutsche Form - um cool - oh schau mal einer an, schon wieder ein Anglizismus, diesmal allerdings einer der weitestgehend gebilligt wird - zu sein oder schlicht den winzigen Augenblick zu sparen, den es brauchen würde, das längere, deutsche Wort zu äußern oder zu schreiben.
Vor Leuten die von Events reden wenn es um Ereignisse geht.
Vor Menschen die Outfits tragen um den Stars nachzueifern.

Wir wollen jetzt mal nicht weiter auf so etwas eingehen, wie einen Außenminister der sich weigert Fragen auf englisch zu beantworten oder überhaupt auf die Frage, warum es so viele Anglizismen sind die sich in unserer Sprache finden - die Verbreitung von Englisch als Weltsprache hat sicherlich ihren Ursprung in der Kolonialpolitik der besagten Nation und der heutige Einfluss ergibt sich aus der Kulturellen Stellung der USA die  es nach zu eifern gilt, aber das ist ein anderes Thema - sondern es soll um die Idee der Rettung einer Sprache gehen.
Die Idee klingt gut, sehr gut sogar.
Sprache als Identifikation für die Kultur, deren Verwässerung bekämpft werden muss um die Identität zu schützen?
Die Sprache von diesem internationalen Mischmasch zurück zu führen zu einer richtigen deutschen Sprache, einer Sprache die lebendig ist, neue Worte hervor bringt und sich als eigene Sprache entwickelt?
Zuerst einmal, ich finde die Idee wirklich gut.
Oder besser fand sie gut. Ich gehöre auch zu denen, die erschaudern wenn sie eine Entschuldigung mit "Sorry" vernehmen müssen - man gewöhnt sich daran, aber schön ist es nicht. Mir schaudert dabei, aber es stört mich nicht mehr.
Wie gesagt, ich fand die Idee gut was folgerichtig bedeutet, dass es mir nicht mehr so geht.
Sprache als Spiegel der Kultur ist natürlich ein Anliegen das nicht liegen bleiben darf, nicht ohne Grund wird die Sprachbarriere gerne als Grenze einer innerdeutschen Parallelgesellschaft gesehen, dennoch kann man dort nicht weiter überlegen ohne sich vorher zu fragen was ist die deutsche Sprache?
Die Sprache von Goethe?
Die Sprache der Gebrüder Grimm?
Die Sprache von Gutenberg (dem Drucker, nicht dem Kopierer)?
Nein.
Nicht mehr.
Sie war es sicher einmal, das ist aber nun schon Jahrhunderte her.
Sprache entwickelt sich, teils durch innere Wortneuschöpfungen - Goethe und Shakespeare waren da gleichermaßen aktiv - teils durch geliehene Worte aus anderen Sprachen, die genau wie Heute zusammen mit der Kultur übernommen werden.
Latein, Griechisch, Französisch, diverse Deutsche Dialekte und natürlich auch Englisch - genau wie alle anderen Sprachen in Europa ihren Einfluss ausgeübt haben, sei es durch Kultur, Zuwanderung oder Militärisches Vorgehen und Besatzung.
Ist das gute alte Deutsch, das Deutsch des ersten Duden damit tot?
Das kommt darauf an, sieht man die Dinosaurier als ausgestorben an oder als evolutionär übergangen in Krokodile, Vögel und den Rest der Viecher?
Sprache - wie auch Kultur - ist in Bewegung.
Sprache ist ein Mittel der Kommunikation.
Sprache ist auch ein Mittel der Identifikation gegenüber anderen und der Welt.
Wie wir von anderen Wahrgenommen werden, liegt mit daran, wie wir uns ausdrücken.
Wer wichtiger sein will, als er ist - oder wer wichtig ist und daran auch keinen Zweifel aufkommen lassen will - wird Worte wählen, die wichtig klingen. Noch besser, wenn es nicht jeder versteht, denn wer mehr weiß und sich daher mit seiner Ausdrucksweise über die anderen heben kann, muss besser sein.
Wissen ist Macht, nicht wahr?
Ich schweife ab.
Wer wichtig klingen will, nutzte vor Zeiten Latein oder Griechisch - auch heute noch, allerdings ist die Menge derer die man damit beeindrucken kann stark gesunken, wenn man überhaupt nichts mehr versteht, ist der Eindruck weg, dass das Gesagte wichtig ist.
Wer der Kulturellen Oberschicht angehören will, nutzte Französisch, die Sprache der hohen Höfe.
Wer die Massen ansprechen will, nutzt den Dialekt des einfachen Volkes.
Wer die Eroberten beherrschen will, der wird um die Wechselwirkung der Sprachen von Sieger und Besiegtem nicht herumkommen.
Und wer heute modern wirken will, sich dem globalen Zeitgeist anpasst, der spricht am besten nur noch eine globale Sprache.
All das hinterlässt Spuren, verändert die Sprache.
Es gefährdet die Sprache als Mittel der Kommunikation aber ebenso wenig wie es die Kultur gefährdet, auch die ändert es nur.
Die deutsche Sprache ist nicht tot, nicht in Gefahr - solange man Fortschritt nicht als Gefahr sieht, nicht im geringsten.
Und auch der Gedanke, die Sprache würde keinen neuen Worte hervorbringen weil fehlende Ausdrücke einfach aus dem Englischen Übernommen würden ist unhaltbar.
Mit englischem Einfluss, sicherlich - dennoch, wird jeder Engländer der dem deutschen nicht mächtig ist und diese Eigenheit nicht kennt, mit Begriffen wie Handy oder Smoking nicht den Gegenstand assoziieren den wir damit meinen.
Das sich, beispielsweise wissenschaftliche Publikationen gezwungener Maßen auf englisch verfasst sehen, hat nichts damit zutun, dass die deutsche Sprache nicht ausreichend ist oder nicht attraktiv genug wäre, um darin international zu publizieren. Es liegt daran, dass eine Übersetzung immer einen Teil der Bedeutung mit sich nimmt, Bedeutung die wichtig ist und da es nicht nur deutsche und englische Wissenschaftler gibt sondern auch solche die Mandarin, Hindi oder Suaheli sprechen, ist die Notwendigkeit nach einer allgemeinen Sprache gegeben in der die Dokumente verfasst werden, ohne erst in diese Sprache übersetzt werden zu müssen.
Das es nun einmal Englisch ist und nicht Deutsch, Spanisch oder Holländisch, hat Gründe die man ebenso wie die Geschichte der Sprachen in der Vergangenheit suchen muss.
Wenn man sich unbedingt darüber aufregen will, das Sprache globalisiert wird, wir in der Sprache einer führenden Sprache unterstellt sind und beispielsweise bei Maßangaben nicht - Kilometer/Meilen, Zentimeter/Zoll, Meter/Yard, Celsius/Fahrenheit -, sollte man bedenken, dass diese Werte sich korrekt von einem in das andere System übertragen lassen - blenden wir Rundungsfehler einmal aus - Worte aber nicht.

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