Dienstag, 5. April 2011

Paradoxon

Ich kenne mich ein bisschen aus in der Politik, ich weiß, dass sie zwei einander abwechselnde Ziele hat: Das eine ist die Verständigung, das andere der Konflikt. Eine Verständigung erreicht man, wenn eine Seite vorgibt, an den Unsinn zu glauben, den die andere Seite erzählt. Wir beide haben leider einen Konflikt. Ich glaube nämlich nicht an den Unsinn, den du erzählst.
So ist es in Andrzej Sapkowskis "Lux Perpetua" zu lesen - ein Buch, das ich sehr empfehlen würde, was aber sonst nichts mit dem Thema zutun hat.
Nichts außer dieser sehr schönen Definition von Politik.
Politik ist aber mehr als dieser schön formulierte Absatz, Politik ist paradox.
Da gibt es doch tatsächlich die Angst in der Politik - sicherlich ist es eine begründete Furcht -, dass das Straßennetz - insbesondere die Autobahnen - den rasant wachsenden - in den nächsten Jahren werden Wachstumsraten von bis zu 80% erwartet - Güterverkehr auf der Straße nicht mehr fassen können, was in der Folge zu noch volleren Straßen führt, also mehr Staus, mehr Unfälle, mehr Straßenschäden.
Und gleichzeitig wird die Alternative - die Verlagerung von Transporten auf die Schiene - dadurch unattraktiv gemacht, dass man den Lokführern erlaubt eben dieses Bahnnetz einfach mal lahm zu legen.
Komisch, oder?
Und dann sind da noch die Gesetze die durch die Politik verabschiedet werden.
Ein Mordverdächtiger ist während seiner Befragung nicht gesetzlich verpflichtet korrekte Antworten zu geben. Oder sich überhaupt zu äußern.
Und trotzdem sind mehrere Millionen Menschen in Deutschland gesetzlich gezwungen private Angaben zu ihrer Person zu machen.
Das ganze nennt sich Zensus 2011 und damit haben wir dann auch das Thema für heute erreicht.
Den Begriff Volkszählung für diesen Vorgang zu verwenden ist unehrlich.
Der Begriff Volk beschreibt erst einmal nur eine Menschenmenge, wenn man es jetzt präzisiert und vom "deutschen Volk" spricht wird es schon schwieriger.
Sind das nun die die ethnisch dem deutschen Volk angehören? Unmöglich festzustellen oder fest zu legen.
Sind das diejenigen, die Staatsbürger Deutschlands sind? Nicht präzise genug, nicht umfassend genug für die gewünschte Zählung.
Sind es alle die in den Grenzen des deutschen Staates leben? Nehmen wir das einfach mal als richtige Antwort an, präzise ist das zwar trotzdem nicht, aber es ist die Menge von Personen mit der hier gearbeitet wird.
Zählung beschreibt den Vorgang des einmaligen addierens von 1 zur schon gezählten Menge von Objekten für jedes weitere Objekt in der Menge der betrachteten Objekte.
Im eigentlichen, praktisch eher unrealistischem, Sinne ist also gemeint alle Mitglieder der Menge "Volk" in einer Reihe aufzustellen, an dieser Reihe entlang zu gehen und bei jeder Person die bis zu dieser Person gezählte Menge um 1 zu erhöhen.
Das wäre eine Zählung.
Der angestrebte Zensus ist eine Befragung, eine sehr persönliche sogar.
Die demographischen Daten kann ich ja sogar noch verstehen, man will ja eventuell wissen wie alt das Volk ist, wie die Verteilung der Geschlechter ist - ich würde einen Wert um die 50% pro Geschlecht erwarten, aber das ist nur eine wilde Vermutung - und sogar die Postleitzahl des Wohnortes ergibt noch irgendwie sinn, um zu wissen wie viele Einwohner eine bestimmte Stadt hat.
Telefonnummer, Adresse, Name, Familienstand, Kirchenzugehörigkeit, Schulbildung und so weiter... all das hat mit dem Zählen eher wenig zutun.
Besonders der Punkt des Namens ist interessant - und vollkommen nutzlos auf dem Fragebogen - da die Auswertung der Daten vollkommen anonym von statten gehen soll. Das diese "Hilfsmerkmale" verhindern, dass Menschen doppelt gezählt werden ist Schwachsinn. Entweder die Zählung - bleiben wir der Einfachheit halber bei diesem Begriff, trotz der fehlerhaften Bezeichnung - funktioniert richtig oder sie tut es nicht. Da in einem großen Mehrfamilienhaus - sprich an der selben Adresse - theoretisch mehr als ein "Karl Müller" leben können, ist nicht einmal ansatzweise gewährleistet, dass diese Person wirklich zwei Personen ist oder schlicht doppelt gezählt wurde.
Und selbst die Grundidee ist schlicht und ergreifend unzureichend.
Das Problem, dass die alten Daten - letzter Zensus 1987 - nicht mehr genau genug sind, da die Fortschreibung der Bevölkerung nicht genau genug ist, ist bedauerlich.
Die Lösung für ungenaue Daten kann nicht sein, neue ungenaue Daten zu erheben.
Wieso sollen also ein Drittel der Deutschen befragt werden aus deren Daten dann die korrekte Zahl hochgerechnet werden soll?
Dann doch lieber einmal richtig zählen - das heißt alle, nicht schätzen, nicht hochrechnen und keine halbgaren Statistiken (Wobei es sich mit Statistiken genauso verhält wie mit Wortspielen, einige sind besser als andere, aber wirklich gut sind die alle nicht) - und danach vernünftig Fortschreiben, Geburten und Todesfälle sowie Zu- und Abwanderungen zu dokumentieren.
Dieses Vorhaben ist unmöglich, die Fortschreibung wird immer unpräzise da nicht alles korrekt gemeldet wird? Stimmt. Aber wofür haben wir Gesetze die die Bürger zu Aussagen zwingen?
Und wo wir schon von Zwängen reden. Nur eine Frage auf dem Fragebogen ist freiwillig. Frage 8: "Zu welcher der folgenden Religionen, Glaubensrichtungen oder Weltanschauungen bekennen sie sich?". Das diese Frage überhaupt existiert ist grober Unfug, dass sie aber Freiwillig ist, ist nur noch zynisch angesichts der Tatsache, dass Frage 7 nicht freiwillig ist und erfragt welcher Religionsgemeinschaft man angehört.
Und apropos Gesetze.
Es ist Billigairlines gesetzlich verboten mit einem Preis zu werben, der durch Abrechnung von Steuern und Gebühren geschönt ist.
Es ist der Zensuskommission erlaubt auf der Seite zum Zensus 2011 oben in großen weißen Lettern auf Rotem Grund damit zu werben, dass nur 10% der Bevölkerung ausgewählt werden um ihre Angaben abgeben zu müssen. Erst im kleingedruckten findet sich dann, dass es doch etwa ein Drittel des Volkes sein wird, dass in den Zensus mit eingeht. Der Rest wird eben nicht direkt sondern über seinen Besitz von Wohnraum ausgewählt.
Ich will gar nicht darauf eingehen, dass das ganze teuer ist. Wahnwitzig teuer. So teuer, dass man das Geld zum beispiel besser dafür nutzen könnte, die Bahn wieder zu verstaatlichen, alle Lokführer zu verbeamten und denen das verdammte Streikrecht wieder zu nehmen.
Mit Geld kann man immer gut Argumentieren, muss man aber nicht.
Was mich irritiert ist, dass es zugelassen wird.
Wie kann man in einem Land 30% der Bevölkerung sehr privat befragen, wenn im gleichen Land gleich ein Skandal losbricht weil weniger als 0.5% sich dagegen wehren, dass eine Fotografie ihres Hauses im Internet zu sehen ist?
Bei Google weiß man woran man ist. Da hat man ein Internationales Unternehmen mit einer Bilanz von mehreren Milliarden Dollar und dem vernünftigen Ziel aus diesen Milliarden noch mehr Milliarden zu machen, nicht die Welt zu erobern und die Chefs der Konkurenzunternehmen auf den Scheiterhaufen zu stellen.
Die Absichten des Zensus sind weniger ersichtlich. Natürlich klingt es total wichtig wenn man hört wie überholt die Daten sind auf die sich die Entscheidungen stützen und sicherlich sind es auch wirklich total tolle und wichtige Ziele die dort verfolgt werden, aber ich kann mir nicht helfen.
Es scheint fast so, als wäre der Zensus unnötig wenn man sich nur etwas bemühen würde. Vorausgesetzt, die Bevölkerungsfortschreibung funktionierte Fehlerfrei und die Bevölkerungszahl wäre bekannt, dann ließe sich doch die Zahl der Erwerbstätigen berechnen.
Schließlich behauptet man ja auch zu wissen wie viele Arbeitslose es gibt.
Und auch wie viele davon Selbstständig tätig sind, sollte herauszufinden sein. Selbstständige sind zu anderen Steuerlichen abgaben verpflichtet, sollte da das Finanzamt dann nicht irgendwie Daten zu besitzen?
Und was ist eigentlich mit denen, die keine Angaben abgeben wollen? Sicher, es besteht die gesetzliche Pflicht zur Angabenabgabe, aber wie sich ein Verstoß gegen diese Pflicht auswirkt ist wenigstens in den offiziellen Informationen nicht ersichtlich. Ich schlage die sofortige Hinrichtung der Betroffenen vor, so kann garantiert werden, dass diese aus der Statistik entfernt sind.
Und trotzdem, man wird den Eindruck nicht los, ein Unternehmen könnte es besser als der Staat. Wenn wirklich ein gewinnbringender Nutzen damit verbunden wäre, würde sich ein Unternehmen finden, dass es schafft. Amazon bekommt es doch auch hin, mich zu informieren wenn Fortsetzungen von Büchern erscheinen die ich gekauft habe, da kann es doch auch nicht schwerer sein, aus den Geburtsdaten zu errechnen wie sich die Einschulungen in Zukunft verhalten werden.

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